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Insekten und Klimawandel

Erst Hitze und Dürre, dann Unwetter mit Hagel und Starkregen – wie kommen eigentlich Tiere, vor allem Insekten, mit diesen Wetterextremen klar? Wie schützen sie sich, wohin fliehen sie? Das spannende Interview gibt Aufschluss.

Das Bild zeigt einen Hochmoor-Gelbling auf knolliger Kratzdistel, Fotograf: Dr. Eberhard Pfeuffer

Wie kommen Tiere mit Wetterextremen klar?

Im Sommer 2023 hat es gerade in Bayern viele starke Unwetter mit Starkregen und Hagel gegeben.
Dazu sprachen wir mit Dr. Jan Leidinger, Referent für Insektenschutz im Referat „Biodiversität und Naturhaushalt“, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz.

Wie gehen wildlebende Tiere mit Gewittern und Wolkenbrüchen um?

Starke Unwetter haben für uns oft deutlich sichtbare Folgen: Bäume fallen um oder verlieren Äste, Hagel zerstört Ackerkulturen oder die Obsternte und es kommt zu Überschwemmungen. Oft wird auch registriert, dass Tiere zu Schaden kommen – bei den Unwettern in Oberbayern Ende August dieses Jahres zum Beispiel dutzende Weißstörche.

Ebenso treffen die Unwetter jedoch auch die kleineren Lebewesen, darunter auch die Insekten. Die meisten von ihnen verhalten sich bei schlechtem Wetter so wie wir – sie suchen Zuflucht. Und zwar im Boden, unter Blättern, in Dickichten, Baumkronen, Nischen und Höhlen. Für einen „normalen“ Regen oder Sturm reicht das aus, und die Tiere nehmen danach schnell wieder ihre Aktivität auf. Schwieriger wird es, wenn die Zufluchtsorte nicht mehr ausreichend Schutz bieten können – zum Beispiel eine kleine Baumkrone bei Orkanböen, oder eine Wiese bei Hagel und Überschwemmung. Kommt das vor, können lokal schnell ganze Populationen verschwinden. Dann kommt es darauf an, dass in der Umgebung noch genug intakte Lebensräume vorhanden sind, von denen aus die gestörten Flächen wieder neu besiedelt werden können.

Und wie sieht es bei Hitze und anhaltender Dürre aus?

Temperaturextreme und langanhaltende Dürren wirken sich natürlich ebenfalls auf Insekten und andere Tiere aus. Auch ihnen kann es zu heiß werden, so dass sie ihre Aktivität einschränken und kühlere, feuchtere Orte aufsuchen. Natürlich müssen dafür genug Ausweichmöglichkeiten in der Landschaft vorhanden sein. Aber nicht alle sind mobil genug, um sich in den Schatten zu flüchten. Pflanzen haben es da besonders schwer, aber auch viele Tiere können bei andauernder Trockenheit oder extremer Hitze nicht so einfach feuchtere Lebensräume erreichen, zum Beispiel Springschwänze, die im Boden wichtige Funktionen für die Nährstoffkreisläufe erfüllen. Und wenn es zu Bränden kommt, überlebt das wie bei Überschwemmungen ein Großteil der kleineren Lebewesen nicht.

Bei vielen Insekten ist die Temperatur zudem ausschlaggebend für die Reproduktionsfähigkeit und die Entwicklung des Eis oder der Larven. Für die Jahreszeit viel zu kalte oder warme Temperaturen können deshalb schnell katastrophale Folgen haben. Treten solche Wetter extreme verstärkt auf, führt das dazu, dass ganze Gebiete für bestimmte Arten als Lebensraum verloren gehen. Seit längerer Zeit wird beobachtet, wie sich aufgrund des Klimawandels auch in Bayern wärmeangepasste Arten wie die Feuerlibelle ausbreiten, während die Bestände kälteangepasster Arten, wie der Hochmoor-Gelbling langfristig abnehmen.

Zusätzlich kommen auch indirekte Effekte der höheren Temperaturen zum Tragen: Wer sich vor großer Hitze verstecken muss, kann weniger Zeit für die Nahrungssuche und andere lebenswichtige Aktivitäten verwenden. Zudem kann die Nahrungsverfügbarkeit selbst betroffen sein, denn viele Wirtspflanzen überstehen die immer länger anhaltenden Trockenperioden nicht oder wachsen und blühen nicht mehr zum richtigen Zeitpunkt. Dies bringt die komplexen Nahrungsnetze in den Ökosystemen durcheinander.

Können sich die Tiere und Pflanzen an diese Prozesse anpassen?

Es gibt auch Arten, die an Störungen angepasst und sogar auf diese angewiesen sind. Zum Beispiel, weil sie gerne regelmäßig überschwemmte Flussauen oder, wie der Schwarze Kiefernprachtkäfer, frisch abgebrannte Flächen besiedeln. Andere nutzen die Gelegenheit von Stürmen und Überschwemmungen, um sich mit Wind oder Wasser verdriften zu lassen und so neue Gegenden zu besiedeln. Störungen sind ein wichtiger Bestandteil dynamischer Landschaften. Die meisten Arten sind in dieser Hinsicht aber keine Spezialisten und deshalb darauf angewiesen, dass Störungen in ihren Lebensräumen nur lokal begrenzt und nicht allzu häufig auftreten. Dass durch den Klimawandel Extremwetterereignisse häufiger und intensiver werden, stellt sie vor ernsthafte Probleme. Denn für natürliche Anpassungsprozesse laufen diese Umweltveränderungen oftmals zu schnell ab. Deswegen ist neben der Begrenzung des Klimawandels für den Erhalt dieser Arten besonders wichtig, dass in unseren Landschaften möglichst viele hochwertige natürliche Lebensräume zur Verfügung stehen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Tiere passende Lebensräume vorfinden und somit bei Extremwetterereignissen zumindest ein Teil der Population überleben kann.

Danke, Herr Leidinger, für diese spannenden Einblicke!